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Ein Projekt, das einzigartig in Rostock ist: HAI hilft jungen Migrant:innen, die kaum eine Perspektive haben, in Deutschland zu bleiben. Die trotzdem hier leben und Unterstützung brauchen. Genau diese Unterstützung steht jetzt auf der Kippe.

Bis jetzt landen die Jugendlichen weich. HAI fängt sie auf, es spannt ein Netz für die jungen Migrant:innen, die sonst aus dem Raster fallen: Die, die hier leben, aber nur geduldet sind, keine Bleibeperspektive haben, die Menschen in Gemeinschaftsunterkünften, die noch nicht ausreichend Deutsch sprechen, um sich allein durch den Dschungel der Behörden zu hangeln. Die Sozialarbeiterin Josefin Drechsel und der kulturelle Mittler Sayed Hashimi stehen hinter HAI, hinter dem Projekt Hilfe und Beratung All Inclusive des Jugendhilfeträgers Soziale Bildung e.V. (SoBi). Sie unterstützen die Menschen, die Hilfe brauchen. Bis jetzt.

Das Problem: Die Förderung der Hansestadt Rostock für HAI läuft im April 2021 aus, nach zwei Jahren hat das Projekt die Fördermittel ausgeschöpft. Das Jugendamt hat abgelehnt, das Projekt zukünftig zu finanzieren. Wie es weitergeht, ist deshalb unklar. Fakt ist: Mehrere Dutzend junge Menschen verlieren damit Unterstützung. Denn HAI hilft dort, wo andere Träger sich nicht mehr zuständig fühlen. Hashimi und Drechsel arbeiten mobil, flexibel und nah an den Jugendlichen — ohne Termine am Schreibtisch. Sie gehen hinaus, auf die Straße, sind mit einer Busberatung in den Rostocker Wallanlagen vor Ort und tauchen ein in die Gruppen der Jugendlichen, hören ihnen zu. Sie beraten, übersetzen Post vom Sozialamt, begleiten sie zu Wohnungsbesichtigungen, zu Ärzt:innen oder zum Jobcenter, telefonieren mit Anwält:innen. Sie organisieren Fahrrad-, Kunst- oder Musikworkshops. Hashimi und Drechsel wollen damit die Rechte der Geflüchteten stärken, wollen ihnen die Türen öffnen zu Sprachkursen, Bildung, Arbeit und auch Freizeit. Der Jugendmigrationsdienst, andere Jugendhilfeträger oder Sozialarbeiter:innen in den Gemeinschaftsunterkünften können das gar nicht leisten”, sagt Drechsel. Es seien zu viele Fälle, die Kontingente und Zeiten seien begrenzt. Nicht nur Rostocker:innen suchen Hilfe bei HAI. Ein Viertel der Jugendlichen fährt aus dem Landkreis Rostock in die Stadt hinein, aus Güstrow oder Bad Doberan, vor allem wegen Hashimi. Er kennt die Wege, auf denen viele der Geflüchteten in Rostock laufen. Sayed Hashimi ging sie selbst, als er nach Deutschland kam: Er wohnte in einer Gemeinschaftsunterkunft, teilte sich zwölf Quadratmeter mit einem Fremden, ackerte sich durch Briefe der Behörden und Ämter. Lernte Deutsch. Heute, drei Jahre später, lebt der 30-jährige Hashimi in seiner eigenen Wohnung, er arbeitet als Bauingenieur und als kultureller Mittler in der Jugendarbeit. Er spricht fünf Sprachen, auch Persisch, so wie 80 Prozent der Jugendlichen hier, die aus Afghanistan oder Iran kommen. Er versteht sie, ihre Sprache, aber auch ihre Sorgen und Kultur, bei ihm müssen sich die Jugendlichen nicht erklären. Josefin Drechsel nennt es den Vertrauensbonus, den er genieße.

Auch Mahsa Noorani kam vor zwei Jahren nach Rostock. Hashimi nahm die 22-jährige Iranerin an die Hand, meldete sie zu Sprachkursen an, Drechsel schrieb mit ihr Lebenslauf und Bewerbungen. “Bevor ich HAI kennenlernte, wusste ich nicht, dass es solche Projekte in Deutschland gibt. Dass ich dort kostenlos Hilfe bekomme”, sagt Noor. Jetzt spricht sie Deutsch, Hashimi vermittelte sie als Referentin, sie hält Workshops über Frauenrechte, aber eigentlich will sie weiter Architektur studieren oder eine Ausbildung beginnen. Ob sie hier bleiben darf, weiß Noorani nicht. Aber HAI hat Noorani angestupst, ihren Weg zu gehen. Andere junge Menschen werden ihn nun allein finden müssen. Denn bis jetzt gibt es noch keine neue Geldgeber:in für HAI. Im April ist Schluss. Viele Jugendlichen leben weiter hier, aber fallen raus, aus dem Hilfssystem, aus den Strukturen.

Ein Artikel von Katharina Elsner

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