Innovationsprojekt Praxisdialoge: Kinder stärken – Vielfalt und Beteiligung im Fokus

Kurzbeschreibung Praxisdialoge
Das Innovationsprojekt „Praxisdialoge: Kinder stärken – Vielfalt und Beteiligung im Fokus“ wird in der aktuellen Förderperiode des Bundesprogramms Demokratie Leben vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend gefördert, im Programmbereich Vielfaltsgestaltung im Themenfeld Intersektionalität und Mehrfachdiskriminierung.
Das Innovationsprojekt Praxisdialoge ist die Weiterführung des Modellprojektes Hortdialoge & Beteiligung und adressiert städtische und ländliche Strukturen. Ziel ist es die bereits aus dem Modellprojekt erprobten Konzepte für den Hortbereich für Arbeitsbereiche der Sozialen Arbeit, für Vereinssport und für öffentliche und freie Träger aufzuarbeiten und in die jeweiligen Strukturen zu implementieren. Darüber beabsichtigen wir die Diversitätskompetenz und diskriminierungskritische Perspektiven in der Kinder- und Jugendarbeit zu fördern und zu verankern.
Rostock als größte städtische Kommune M-Vs und der Landkreis Rostock als viertgrößter Landkreis Deutschlands verfügen über wenig konkrete Bildungs- und Handlungskonzepte für 6-10 jährige Kinder und für Fachkräfte zur herkunfts- und armutssensiblen und der darin mündenden partizipationsorientierten Arbeit mit Kindern.
Warum ist das wichtig?
Fachliche Konzepte um den Ausgrenzungsformen Rassismus, Klassismus und Adultismus entgegenzuwirken spielen im theoretischen und praktischen Diskurs mit Blick auf das Grundschulalter eine geringe Rolle. Jedoch sind Kinder aufgrund ihrer marginalisierten Position häufig von Diskriminierung betroffen. Kinder aus benachteiligten sozialen Gruppen erleben oft intersektionelle Mehrfachdiskriminierung. Das bedeutet ein sich gegenseitiges Verstärken der Merkmale Class – Race – Age. Institutionen, wie Horte, Grundschulen, Sportvereine aber auch die offene Kinder- und Jugendarbeit, stehen vor der stetigen Herausforderung mangelnder Zeit- und Personalressourcen, um sich in diese Themen einzuarbeiten. Daher gibt es wenig Handlungsleitfäden und Methoden zur Reflexion der eigenen Rolle der Haupt- und Ehrenamtlichen, ihrer Bezugsgruppenzugehörigkeit, sowie der Rahmenbedingungen der jeweiligen Institution.
Wo möchten wir ansetzen?
Fachkräfte und Ehrenamtliche wünschen sich praxisnahe, anwendbare Methoden und Fortbildungen sowie Zeit für internen Austausch. Es braucht eine langfristige Begleitung, um herkunfts- und armutssensible Demokratiebildung im pädagogischen Alltag verwirklichen zu können. Für Grundschulkinder ist die Sensibilisierung für Diskriminierung und ein darin mündendes Empowerment von großer Bedeutung, diese grundlegenden Erfahrungen fundieren später abstraktes Wissen. Kinder nehmen Vorbilder und Situationen genau wahr, denen sie in Institutionen begegnen. Diese Eindrücke sind zentral für die Entwicklung hin zu autonomen/mündigen Bürger*innen!
Wen möchten wir erreichen?
- Ehren-, Neben- und Hauptamtliche in der Kinder- und Jugendhilfe und an anderen Sozialisationsorten Tätige
- Pädagogisches Fachpersonal: in der Schulsozialarbeit an Grundschulen, in Horten, in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, mit der Fachberatung von Wohlfahrtsverbänden
- Fachaufsicht und -beratung im Jugendamt: Kindertagesförderung, Sport, offene Kinder- und Jugendarbeit
- Hauptamt des Stadt- und Kreissportbund
- Kinder- und Jugendbeteiligungsmoderator*innen
Begriffe
Wir möchten hier kurz auf drei Begriffe eingehen, die wir im Text benutzt haben und unser Verständnis darlegen.
Klassismus:
Der Begriff Klassismus entspringt dem englischen Begriff „classism“ und wurde aus dem Englischen direkt ins Deutsche übersetzt. Der Begriff könnte auch mit „Klassenbezogenheit“ übersetzt werden. Er beschreibt die Ausgrenzung, Benachteiligung und Diskriminierung von Klassenherkunft oder Klassenzugehörigkeit. Das bedeutet, dort, wo Menschen aufgrund ihres sozialen Status benachteiligt und unterdrückt werden, spricht man von Klassismus. Klassismus wird oftmals zusammen mit anderen Diskriminierungsformen wie Rassismus oder Queerfeindlichkeit genannt. Der Begriff wurde vor allem durch Menschen, die Mehrfachdiskriminierungen erfahren, geprägt. Vor allem Menschen aus der Frauen*-, Schwarzen oder Arbeiter:innen Bewegung in den USA übernahmen den Begriff in den 1970er und brachten ihn in die Debatte ein. (Quelle: Vielfaltsmediathek: https://www.vielfalt-mediathek.de/klassismus)
Adultismus:
Der Begriff Adultismus leitet sich von dem englischen Begriff „adult“ für „Erwachsen“ ab und benennt das ungleiche Machtverhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern und Jugendlichen. Denn Erwachsene gehen oft davon aus, „dass sie allein aufgrund ihres Alters intelligenter, kompetenter, schlicht besser sind als Kinder und Jugendliche und sich daher über deren Meinungen und Ansichten hinwegsetzen“ dürfen. Im Fall von Adultismus werden Menschen auf aufgrund ihres Alters Eigenschaften zugeschrieben, zum Beispiel dass Kinder „egoistisch, vielleicht trotzig, aber auch niedlich, rücksichtslos, unreif oder nicht vertrauenswürdig zu sein. Erwachsene werden demgegenüber als schlau, erfahren, weitsichtig, verantwortungsvoll und vertrauenswürdig gedacht und wahrgenommen. (Quelle: Vielfaltsmediathek: https://www.vielfalt-mediathek.de/adultismus-elementarpaedagogik)
Intersektionale Mehrfachdiskriminierung:
Von intersektionaler oder Mehrfachdiskriminierung wird gesprochen, wenn Personen von unterschiedlichen Diskriminierungsformen gleichzeitig betroffen sind, die sich überdies gegenseitig beeinflussen oder sogar verstärken können. Gemeint ist damit, dass verschiedene Diskriminierungsformen nicht einzeln für sich wirken und einfach zusammengezählt werden können, sondern dass sie sich gegenseitig beeinflussen und so auch neue Formen der Diskriminierung entstehen können. Mehrfachdiskriminierung kann natürlich auch auf Grund weiterer Merkmale und Zuschreibungen passieren, z. B. geschlechtliche Identität, sexueller Orientierung, sozioökonomischer Status, Behinderungen oder Krankheiten, Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit usw. Im Konzept der Intersektionalität ist dabei keine abgeschlossene Liste von gesellschaftlichen ‚Platzanweisern« festgeschrieben. Viel mehr wird betont, dass geschaut werden muss zu welcher Zeit, an welchem Ort, in welchem sozialen Umfeld Machtunterschiede und Diskriminierung vorherrschen und was das für die Betroffenen bedeutet. (Quelle: Vielfaltsmediathek: https://www.vielfalt-mediathek.de/intersektionalitaet)
1. Für Ehren-, Neben- und Hauptamtliche in der Kinder- und Jugendhilfe und an anderen Sozialisationsorten Tätige:
Für Akteure aus Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe, der Verbandsarbeit und der öffentlichen Verwaltung bieten wir im Rahmen des Innovationsprojekt verschiedene Formate an. Ziel ist es, dass die Akteure die erprobte Konzepte des Innovationsprojektes zur beteiligungs-, herkunfts- und armutssensiblen Arbeit mit Kindern im Grundschulalter kennenlernen und mit Adaptionen übernehmen. Schließlich zielen wir auf eine diskriminierungssensible Öffnung der Institution ab.
Themen:
- herkunfts- und armutssensible Arbeit mit Kindern
- partizipationsorientierte Arbeit mit Kindern
- Sensibilisierung für Rassismus, Adultismus und Klassismus mit Blick auf die Institutionen und Strukturen
Formate:
- Fortbildung von aufeinander aufbauenden Modulen
- Fachberatung
- Prozessbegleitung
- Vernetzung
- Entwicklung eigener Formate
Ansatz:
Wir orientieren uns am Praxiskonzept der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung des ISTA (Institut für den Situationsansatz) und verfolgen diese Ziele in der Arbeit mit den Teilnehmenden:
- Die eigene Bezugsgruppenzugehörigkeit der Fachkräfte bewusst machen. Welchen Einfluss hat dies auf das berufliche Handeln?
- Eine positives Verhältnis zur eigenen Identität und familienkulturellen Prägung schaffen.
- Mit den Akteuren bzw. Teams einen eigenen Gerechtigkeitsbegriff klären und pädagogische Routinen und Vorstellungen kritisch reflektieren.
- Dialoge über Diskriminierung und Vorurteile initiieren und fortführen.
2. Für Hochschulen und Ausbildungseinrichtungen:
Ausgrenzung und Diskriminierung sind bisher nicht genug Thema in der Ausbildung. Daher möchten wir möglichst viele angehende Fachkräfte der sozialen Arbeit, der Erziehungswissenschaften, der Grundschulpädagogik, der Kindheitspädagogik, angehende Erzieher*innen sowie Sozialassistent*innen bereits in ihrer Ausbildungseinrichtung erreichen. Wir bieten Seminare bzw. inhaltliche Unterstützung in der Lehre für entsprechende Ausbildungseinrichtungen und Hochschulen an. Zu folgenden Themen:
- herkunfts- und armutssensible Arbeit mit Kindern
- partizipationsorientierte Arbeit mit Kindern
- Sensibilisierung für Rassismus, Adultismus und Klassismus mit Blick auf die Institutionen und Strukturen
- Entwicklungspsychologische Erkenntnisse – Wie nehmen Kinder Vielfalt wahr?
- politische Bildung mit Kindern
- Gestaltung von diversitätsbewussten Lernumgebungen
- Beteiligungsverfahren für Kinder im Grundschulalter
- Ausgestaltung pädagogischer diversitätssensibler Interaktionen
Das Innovationsprojekt Praxisdialoge ist die Weiterführung des Modellprojektes Hortdialoge & Beteiligung. Genauer gesagt ist es ein Transfer von bereits erprobten Methoden und Ansätzen des Modellprojektes „Hortdialoge & Beteiligung – demokratiestärkende Bildungsarbeit im Hortalltag“ aus der vergangenen Förderperiode des Bundesprogramms Demokratie Leben.

Im Modellprojekt Hortdialoge & Beteiligung verfolgten wir das Ziel die Bedeutsamkeit demokratiestärkender Bildungsarbeit in der Arbeit mit Kindern und pädagogischen Fachkräften im Hort herauszustellen. Wir haben uns den Themen Herkunft, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, ökonomische Armut sowie Alter und Beteiligung bezogen auf die Kinder und die Fachkräfte in Horten gewidmet. Dafür durften wir mit 3 Horteinrichtungen aus Rostock für 5 Jahre zusammenarbeiten außerdem haben wir uns mit angehenden pädagogischen Fachkräften und den Ausbildungseinrichtungen beschäftigt.
Eine zentrale Herausforderung für uns war es herauszufinden, wie demokratiestärkende Bildung mit Kindern im Grundschulalter in der Jugendhilfe, in der Institution des Hortes, aussehen muss und gelingen kann. Eine wichtige Rolle spielte dabei das Praxiskonzept der vorurteilsbewussten Erziehung und Bildung. Es gab uns eine grundlegende Orientierung. Im Projektzeitraum sind schließlich viele Methoden für die Arbeit mit Kindern zu den oben genannten Themen entstanden, diese mündeten schließlich in vier Bildungsbausteinen. Außerdem ist über die Arbeit mit den Fachteams in den Horten ein Begleitkonzept für pädagogische Fachkräfte entstanden. Diese Konzepte möchten wir in den nächsten vier Jahren transferieren, im Innovationsprojekt Praxisdialoge.