Insgesamt fünf Wochen gastierten die Wanderausstellung „Dein Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ vom Anne-Frank-Zentrum Berlin und die Wanderausstellung „Im Schatten von Ausschwitz“ von der Bundeszentrale für Politische Bildung unter Koordinierung von Soziale Bildung e.V. im Rostocker Freizeitzentrum.
In dieser Zeit wurden gemeinsam mit den Kooperationspartner*innen und 18 Peer Guides verschiedene Formate der historisch-politischen Bildung zum Themenfeld der Ausstellungen umgesetzt. Es wurden 40 Gruppen (insgesamt ungefähr 700 Personen) von Menschen verschiedener Altersklassen mit den Veranstaltungen erreicht. Der überwiegende Teil der Teilnehmenden waren Kinder und Jugendliche, die im Schulklassenkontext durch Peer-Guides durch die Anne-Frank-Ausstellung begleitet wurden.
Das Projekt war ein Kooperationsprojekt der Organisationen Soziale Bildung e.V., Rostocker Freizeitzentrum e.V., ARThus e.V., Literaturhaus Rostock e.V. und dem Max-Samuel-Haus Rostock.
Die Ausstellungseröffnung
Am 18.11.2019 wurde die Ausstellungen feierlich eröffnet. Neben Grußworten der Organisator*innen sprachen Juri Rosov als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Rostock, Steffen Bockhahn (Senator für Jugend und Soziales, Gesundheit, Schule und Sport) Jochen Schmidt (Landeszentrale für politische Bildung M-V) und Steffi Katschke (Wiss. Mitarbeiterin, Max-Samuel-Haus), die einen lokal-historischen Bezug zu den Ausstellungen herstellte.
Neben den Redebeiträgen wurde auch das Theaterstück „Was wäre, wenn… ?“ durch die Senior*innentheatergruppe die „Sensoren“ (ARThus e.V) aufgeführt. Es war auch Gegenstand des weiteren Projektverlaufs und wurde im Rahmen von Projekttagen – etwa im Anschluss an Ausstellungsbegleitungen – aufgeführt und in einem Publikumsgespräch thematisiert.
Letzter Programmpunkt während der Ausstellungeröffnung waren Grußworte von Patrick Siegele (Direktor des Anne-Frank-Zentrums) und ein Gespräch zwischen ihm und einigen der Peer Guides über ihre bisherigen Erfahrungen und ihre Motivation.
Das Peer-Guides-Konzept – eine Projektsäule
Zentral für das Konzept der Wanderausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ ist die Peer-to-Peer-Education. In diesem Rahmen wurden junge Menschen dafür qualifiziert, Kinder und Jugendliche durch die Ausstellung zu begleiten.
Im Rahmen des Projektes haben sich 18 Jugendliche aus Rostock und der Umgebung mit dem Ziel gemeldet, als Ausstellungsbegleiter*innen aktiv zu werden und etwa gleichaltrige junge Menschen durch die Anne-Frank-Ausstellung zu führen.
Neben einem zweitägigen Seminar in Rostock, das insbesondere vom Anne-Frank-Zentrum ausgestaltet wurde, reisten die Peer Guides mit Soziale Bildung e.V. im Rahmen einer Qualifizierungsreise nach Berlin. Zur Vorbereitung besuchten sie das Anne-Frank-Zentrum mit der Dauerausstellung „Alles über Anne“. Dabei stand die intensive Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte von Anne Frank und dem historischen Kontext im Fokus. Darüber hinaus konnten sich die Teilnehmenden während der Reise kennenlernen und gemeinsam auf die Tätigkeit als Peer Guides einstimmen.
In den folgenden Wochen setzten die 18 ausgebildeten Jugendlichen jeweils mindestens zwei Ausstellungsbegleitungen um und konnten vielfältige Erfahrungen sammeln.
Im Auswertungstreffen am 19.12.2019 hatte die Gruppe die Gelegenheit, gemeinsam mit dem Anne-Frank-Zentrum und Soziale Bildung e.V. die zurückliegenden Wochen zu reflektieren. In den Erfahrungsberichten und den Äußerungen der Jugendlichen wurde deutlich, dass sie insbesondere viel über Geschichte im Allgemeinen und die Biografie von Anne Frank und ihrer Familie im Speziellen gelernt haben. Die Tätigkeit als Peer Guide war für die Jugendlichen eine herausfordernde, aber auch sehr positive und ermutigende Erfahrung, bei der sie auf vielen Ebenen dazugelernt habe, als Personen gewachsen sind.
Als ehemalige Peer-Guides haben sie nun die Möglichkeit, sich als Anne-Frank-Botschafter*innen ausbilden zu lassen.
Grundschulbegleitungen – historisch-politische Bildung kann auch schon in der Grundschule gelingen
Für die Ausstellungsbegleitung mit Grundschulklassen entwickelte Soziale Bildung e.V. gemeinsam mit dem Literaturhaus Rostock ein spezifisches, auf diese Altersklasse abgestimmtes Konzept, das insgesamt zeitlich umfassender war und methodisch angepasst wurde.
Neben interaktiven und kreativen Methoden im Rahmen der Ausstellungsbegleitung wurde am Ende gemeinsam das Bilderbuch „Annes Baum“ (Irène Cohen-Janca) gelesen. Im Anschluss erarbeiteten die Schulklassen eine Gedankenbaum, den sie für die Nachbereitung der Ausstellung mit in ihren Klassenraum genommen haben.
Insgesamt wurden Bildungstage mit fünf Grundschulklassen umgesetzt. Begleitet und vorbereitet wurde die Klassen durch die Schulsozialarbeiter*innen und die jeweiligen Klassenlehrer*innen.
Von allen Beteiligten wurden die Bildungstage als sehr gelungen eingeschätzt und es wurde deutlich, wie gewinnbringend eine gute Kooperation zwischen außerschulischen und schulischen Partner*innen sein kann: Auch herausforderungsvolle Themen aus dem Kontext der historisch-politischen Bildung können dann in angepasster Form gut mit Grundschüler*innen bearbeitet werden.
Schulklassen der Sekundarstufen und Jugendgruppen – viele Besucher*innen
Im Rahmen des Projektes wurden 35 Klassen und Jugendgruppen durch die Ausstellung begleitet. Die zweistündigen Begleitungen wurden durch Peer Guides umgesetzt. Die Ausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ thematisiert sowohl den historischen, biografischen Kontext und die Lebensgeschichte von Anne Frank als auch aktuelle Fragen zu den Themenfeldern „Wer bin ich?“, Gruppenzugehörigkeit, Diskriminierung und Möglichkeiten des Engagements gegen Diskriminierung und Rassismus.
Die Begleitungen wurden mittels interaktiver Methoden angereichert und im gemeinsamen Austausch zwischen den Peer Guides und den Gruppen ausgestaltet.
Projekttage in Verbindung mit dem Theaterstück „Was wäre, wenn … “
Auf Basis des Buches von Waldtraut Lewin „Wenn du jetzt bei mir wärst: Eine Annäherung an Anne Frank“ entwickelte die Seniorentheatergruppe die „Sensoren“ (ARThus e.V) bereits 2016 ein Theaterstück mit dem Namen „Was wäre, wenn …“, das den Fragen nachgeht, wie das Mädchen Anne Frank auf heutige gesellschaftliche Verhältnisse reagieren würde und inwieweit das Leben von Menschen aktuell von Ausgrenzungen und Rassismus geprägt ist.
Das Theaterstück wurde viermal vor Schulklassen im Anschluss an eine Ausstellungsbegleitung durch die Anne-Frank-Ausstellung aufgeführt. Im Anschluss tauschten sich die Theatergruppe mit den Jugendlichen in einem moderierten Publikumsgespräch zu dem Theaterstück aus.
Die Aufführungen und das Theaterstück haben die Projekttage sehr bereichert und den Teilnehmer*innen Anlass gegeben, aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse vor dem Hintergrund der Biografie von Anne Frank zur reflektieren.
Der Theatergruppe gilt ein besonderer Dank, da die Aufführungen eine Kraftanstrengung waren und in den Aufführungen deutlich wurde, wieviel Engagement die Gruppe dem Theaterspielen widmet.
Begleitung für pädagogische Fachkräfte
Neben Grundschulklassen und Jugendlichen wurden vier Begleitungen für pädagogische Fachkräfte realisiert. Neben den Inhalten der Ausstellungen standen hierbei insbesondere Fragen der pädagogischen Ausgestaltung von historisch politischer Bildung im Mittelpunkt.
Wanderausstellung und Abendveranstaltung „Im Schatten von Auschwitz“
Parallel zur Anne-Frank-Ausstellung wurde die Wanderausstellung „Im Schatten von Auschwitz“ in den Fluren des Rostocker Freizeitzentrum ausgestellt. Ausgangspunkt der Fotoausstellung und der gleichnamigen Publikation war eine Exkursion der Bundeszentrale für politische Bildung mit Expert*innen aus Wissenschaft, Forschung und Bildung, die auf unterschiedliche Weise zum Thema NS-Gedenken arbeiten. Die Spurensuche im Mai 2016 führte an wenig oder völlig unbekannte Orte – nach Polen, Weißrussland und in die Ukraine. Orte an denen vor allem Jüd*innen, aber auch Sinti und Roma, politische Gegner*innen und Kriegsgefangene von den deutschen Besatzer*innen und ihren Helfer*innen ermordet wurden.
Die 20 großformatigen Bilder der Ausstellung sind eine Annäherung an die Tatorte von damals und geben einen Eindruck davon, wie es heute an diesen Orten aussieht, einschließlich der heutigen Formen des Gedenkens und Erinnerns.
Am 24.11. berichteten Mark Mühlhaus (attenzione photographers) und Martin Langebach (Bundeszentrale für Politische Bildung) im Rahmen es moderierten Gesprächs von Ihren Eindrücken auf der Reise. Es wurde sich drüber ausgetauscht, warum es wichtig ist, sich 75 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus in Bildung, Wissenschaft und Forschung weiterhin mit dem Thema der NS-Verbrechen zu beschäftigen und es wurden erinnerungskulturelle und pädagogische Formate diskutiert.